19.06.25: Aus neuen Welten: Orchester, Chöre und Bands des WdG auf Klangreisen beim Sommerkonzert…
Man denke sich eine Musiklandkarte mit allerlei Kontinenten, jeder für sich beheimatet eine Richtung, Epoche, einen Stil, eine bestimmte Tradition, unterschiedliche Instrumentierungen. Interessant, ein jedes Archipel zu besuchen, sich vertraut zu machen mit seinen Reizen. Oder man denkt sich, wie es wäre, wenn man sie gedanklich zusammenschöbe, so dass plötzlich Nachbarschaften entstehen, die nicht in Abgrenzung koexistieren, sondern sich vielmehr gegenseitig befruchtend dynamisieren: Man landet beim WdG-Sommerkonzert.
Der erste Kontinent ist das Orchester Con Spirito unter Leitung von Markus Norrenbrock, das eröffnete mit Filmmusik aus dem Dinosauriermärchen „Jurassic Park“ und dann gemeinsam mit dem Unterstufenchor „Skyfall“ interpretierte, und zwar so, dass man sich dachte: Adele, gut, die hat´s schon drauf, aber das hier ist nochmal was anderes, auch opulent, dabei frisch, klanglich renoviert.
Weiter ging´s mit Be Allegri, einem jungen Orchesterunternehmen, das Fabian Josten von „Guantanamera“, also Kuba, in die neue Welt Antonín Dvořáks, also die USA, stilsicher dirigierte.
Dass dann der Unterstufenchor die dritte Etappe bildete, hatte neben der Stufendramaturgie auch eine, vielleicht geplante, inhaltliche Ursache, denn die beiden Songs „When I grew up“ und „You will be found“ lassen sich eben auch geografisch deuten, was Rüdiger Bültmann auf jeden Fall zuzutrauen ist, weil sein musikalischer Horizont, das wird man später am Abend noch hören, wie auch der seiner Fachbereichskolleg:innen nicht an irgendeiner Grenze endet, die nicht über sich hinausweist.
Ein Prädikat, das sich der Mittelstufenchor längst erarbeitet hat, dessen erste Nummer, „Make you feel my love“, percussiv begleitet elegant und unwiderstehlich dahinshufflelte. Was Anne Zugic aus diesem Vokalensemble in den letzten Jahren, bei immer wieder wechselnden Besetzungen, wie es an einer Schule eben so ist, herausholt, hätte längst einen eigenen Konzertabend verdient.
Zwischen die beiden Chöre schob sich indes ein Subkontinent ganz eigener Prägung: Die JacBeats können, wenn sie einst große Karriere machen, darauf verweisen, wo sie ihre ersten Auftritte hatten. Man kennt vier Typen aus Liverpool, die auch mal in Hamburg…. Okay, vielleicht als Vergleich doch noch ein Regalmeter zu hoch. Nicht zu hoch ist die Aussage, dass die 5 jungen Burschen einen extrem nach vorne drängenden, notwendig kratzbürstigen, melodiösen Indierock über die Rampe schieben, dass man danach in den Spiegel schauen muss, wie weit sich die Frisur verschoben hat ob der Druckwelle, die da durch die Aula nach hinten flog. Die zwei Eigenkompositionen legen jedenfalls Zeugnis davon ab, dass hier was ganz Eigenes, Authentisches entsteht, das man genau beobachten muss. Die angekündigten Hörproben auf den einschlägigen Portalen werden viele Aufrufe bekommen, das ist mal sicher.
Nach diesem Pegelsturm wurde es voll auf der Bühne, denn der Oberstufenchor betrat die Szene, und gemeinsam mit der Band wurde Kate Bush´s „Running up that hill“, wie war das Verb noch, genau: zelebriert. Der Marschbeat des Originals wurde zu Beginn runtergedimmt, vokal sozusagen untergraben. „If I only could…“ – so manches ältere Ohr im Publikum blickte gedankenverloren in die eigenen Jugendjahre, und ja: Es gab tolle Musik damals. Heute natürlich auch. Aus dem Oberstufenchor heraus hat sich ein weiterer kleiner Subkontinent herauspräpariert, ein Kammerchor, der „Light in the Hallway“ sang. „You are not alone“, das ist die Botschaft, die Gesa F. aus dem Jahrgang S2 eindrucksvoll erklärte: Ein Statement gegen Gewalt im Allgemeinen und Frauen im Speziellen. Was gäbe es Dringlicheres zu sagen dieser Tage? Konsequent dann, dass zum Abschluss des Aulateils alle drei Chöre und die Band zusammen „You´re the voice“ spielten. Ganz viele Menschen also, und noch mehr Menschen: Am Ende sang der ganze Saal den Refrain gemeinsam. Gänsehaut. Standing ovations und Bravo-Rufe in der vibrierenden, stickigen Aulaluft.
Also raus auf den Hof, wo die WdG-BigBand schon bereit stand für den finalen Trip. Wie bei den Chören und Orchestern ist die Herausforderung, den natürlichen Abgängen (G9 war in diesem Sinne irgendwie besser, weil ein Jahr mehr Zeit, aber gut, anderes Thema) neue, talentierte Musiker:innen entgegenzusetzen, die ihrerseits dann eines Tages, undsofort. Wie Olaf Klindtwort es immer wieder aufs Neue schafft, seine Groovemaschine zusammenzuschrauben und so viele unterschiedliche Begabungen unter einen Rhythmushut zu bringen, ist schon beeindruckend. Herbie Hancock und Stevie Wonder zu interpretieren ist für sich genommen schon ein Projekt. Dem Ganzen dann den eigenen seelischen Schub zu geben, die Bläsersätze so zucken zu lassen wie Blitze, dem Latin-Funk Seele einzuhauchen, das ist die Kunst. Die Rhythmusgruppe um August S. am Schlagzeug extrovertiert zu nennen trifft es nicht, denn das ist eine Untertreibung. Das nächste Mal wäre eine Dunstabzugshaube über der Bühne im Innenhof eine denkbare Idee, über die ernsthaft nachzudenken kein Fehler ist.
Der Abend über dreieinviertel Stunden hatte nicht einen Moment der Langeweile, der Redundanz. Alles hatte Platz und Raum, atmete Inspiration und Können. Die bis auf den letzten Platz besetzte Aula ist zunächst ein zahlenmäßiger Beweis für die gelingende Kopplung zwischen den Musiklehrer:innen, den Schüler:innen und ihren Eltern, Verwandten und Freunden. Das reicht aber nicht. Erst der donnernde Applaus ist der Beweis dafür, dass die Herzen erreicht wurden. Und das geht nur, wenn selbst man mit ganzem Herzen auf der Bühne ist. Großer Spaß, wieder einmal! (Fb)